Die Betriebsstelle Wickensen der Vorwohle-Emmerthaler Eisenbahn AG (VEE) - bzw. später der Vorwohle-Emmerthaler Verkehrsbetriebe GmbH (VEV) - befand sich beim Streckenkilometer 4,62 und wurde am 19.10.1900 als Haltestelle für den Personen- und Güterverkehr eröffnet; es verfügte über ein Ladegleis für die Domäne Wickensen. Das im Bauhausstil gestaltete Agenturgebäude wurde im Jahr 1928 errichtet. Nach Einstellung des Personenverkehrs am 01.04.1975 wurde der Güterverkehr bis 1998 weiter betrieben.
Die Betriebsstelle Wickensen war zwischen dem Streckenkilometer 4,60 bis 4,91 mit einem Anschlußgleis für die Hils-, Dolomit- und Kalkwerke GmbH ausgestattet. Dieses diente der Verladung von Kalksteinen, die aus dem Steinbruch beim Greitstein (in der Nähe von Holzen) per 2 km langer Materialseilbahn System Bleichert angeliefert wurden, in Güterwagen. Die Materialseilbahn wurde im Jahr 1923 genehmigt, verfügte über 16 Masten und ging im Jahr 1924 in Betrieb. Ausgelegt war sie auf eine Kapazität von 18 bis 20 Mg/h, die jedoch nur zur Hälfte ausgeschöpft wurde. Bereits im November 1925 wurde das Konkursverfahren über die Hils-, Dolomit- und Kalkwerke GmbH eröffnet. Der Betrieb der Seilbahn wurde offensichtlich weitergeführt; ab Anfang 1930 lag er endgültig still. Die Seilbahnanlage wurde im Jahr 1930 an die Deutsche Asphalt AG verkauft. Die restlichen Anlagen der Hils-, Dolomit- und Kalkwerke GmbH werden im Jahr 1935 auf Abbruch verkauft.
Das Anschlußgleis und die Verladeeinrichtung der Hils-, Dolomit- und Kalkwerke GmbH sind auf eimem Gleisplan, der auf das Jahr 1926 datiert ist, eingetragen. Etwa im Jahr 1946 muß das Anschlußgleis zurückgebaut worden sein.
Im Jahr 1949 wurde der Vereinigte Baustoffwerke Bodenwerden GmbH (Rigips) eine neue 2,5 km lange Seilbahn von einem Gipsbruch beim Kleinen Homberg (in der Nähe von Stadtoldendorf) zur Verladestelle an der Stadtgrenze von Eschershausen eingerichtet. Die Seilbahn wies 26 hölzerne und eiserne Stützen auf, verfügte über 50 Förderkörbe (jeweiliges Fassungsvermögen 1 Mg) und war bis zum September 1969 in Betrieb. Zum Umschlag der Gipssteine wurde beim Streckenkilometer 5,462 ein 334 m langes und beidseitig angeschlossenes Ladegleis errichtet. Mit der Seilbahn wurden pro Jahr ca. 75.000 Mg Gipssteine pro Jahr angeliefert, die zunächst mit vier Sperrfahrten zum Bahnhof Eschershausen und später mit regulären Zügen nach Bodenwerder transportiert wurden. Im Jahr 1972 wurde das Anschlußgleis zurück gebaut.
Einem Bericht der online-Zeitung Weser-Ith-News ist ein Foto der Verladeeinrichtung beigefügt.
Anzumerken ist, daß sich der Gipsbruch in der unmittelbaren Nähe des Gipsbruchs Mönchekopf befand, aus dem die Fabriken in Stadtoldendorf per Feldbahn mit Gips beliefert wurden. Abnehmer der in der Betriebsstelle Wickensen in Güterwagen umgeschlagenen Gipssteine war die Vereinigte Baustoffwerke Bodenwerder GmbH, die im Jahr 1945 gegründet wurde und 1948 den Produktionsbetrieb aufnahm. Nach einem Ausbau der Produktionsanlagen 1958 wurde 1961 der Produktnahme "Rigips" auch als Firmenname übernommen. Für den Steinverkehr, der das Gesamtfrachtaufkommen der VEE bis zu einem Drittel bestimmte, hielt die VEE vier eigene Spezialwagen vor:
Nr. 181 bis 183: zweiachsige Ot-Wagen mit seitlichen Auslaufrutschen,
Nr. 184: vierachsiger Ot-Wagen mit kippbarem Wagenkasten.
Bemerkenswert an der Betriebsstelle Wickensen war ein kleines Agenturgebäude, das im Stil des Bauhauses gestaltet war. Überreste des Gebäudes konnten über viele Jahre noch in Augenschein genommen werden. Im Zuge der Liquidation der Vorwohle-Emmerthaler Verkehrsbetriebe VEV GmbH i. L. wurde das Flurstück 85 zum Verkauf angeboten; im Jahr 2022 waren die Bemühungen offensichtlich erfolgreich. Bei einem Besuch im September 2022 war das Flurstück weitgehend freigeräumt, die Reste des Agenturgebäudes waren verschwunden (vergleiche Abbildung 1 mit der Abbildung 7). Bei den Aufräumarbeiten wurden Reste der Ladestraße und der Fundamente der Verladeanlage freigelegt.
Abbildungen 1 und 2: Blick auf den ehemaligen Bahndamm von Vorwohle in Richtung Emmerthal, der heute als Lenne-Wanderweg dient. Rechts ist das Agenturgebäude zu erkennen. | ||
Abbildungen 3 und 4: Reste des ehemaligen Agenturgebäudes waren noch im Jahr 2018 vorhanden. | ||
Abbildungen 5 und 6: Wenn man aufmerksam hinschaut, konnte man auch noch im Jahr 2018 im ehemaligen Bahngelände Reste des Ladegleises und ausgebaute Schwellen entdecken. | ||
Abbildungen 7 bis 10: So präsentierte sich das Gelände im September 2022: das ehemalige Agenturgebäude ist restlos verschwunden, dafür wurden die Ladestraße und Fundamentreste der Verladeanlage freigelegt. | ||
Abbildungen 11 und 12: Hinter der kleinen Schonung müßte sich die 1926 erichtete Verladeanlage befunden haben; an der Straße nach Holzen befinden sich noch Reste eines Blinklicht-Steuerschranks. | ||
Abbildungen 13 bis 16: Einge 100 m weiter in nordwestlicher Richtung hat sich vor Eschershausen die im Jahr 1949 errichtete Verladeeinrichtung der Rigips-Werke befunden; auch hier sind heute noch Fragmente vorhanden. |
Bislang habe ich die Bahnhöfe Hornhausen (OSE) und Schöningen-Süd (BSE/OSE) als FREMOdule nachgebaut. Im Unterschied zu Hornhausen ist der Bahnhof Schöningen-Süd maßstäblich unter Beachtung der H0fine-Normen nachgebildet worden. Leider ist das FREMOdul Schöningen-Süd hinsichtlich des Transports zu einem FREMO-Treffen relativ aufwändig zu handhaben; angesichts seiner Größe kann es auch nicht in jedes Modul-Arrangement eingeplant werden. Daher soll das nächste Projekt überschaubarer sein; der Nachbau ist für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Berufsleben angedacht.
Bei der Sichtung der einschlägigen Literatur bin ich auf der Suche nach einem geeigneten Vorbild auf den Haltepunkt Wickensen gestoßen, dessen Nachbildung mich aus zwei Gründen reizt: zum einen wegen des im Bauhausstil errichteten Agenturgebäudes, zum anderen wegen der Umladestelle für die Gipssteine, die ein für ein FREMO-Treffen angemessenes Frachtaufkommen generiert. Die Betriebsstelle Wickensen soll wie der Bahnhof Schöningen-Süd maßstäblich und als H0fine-Modul entstehen.
In dem Buch von Meinhard Döpner "Die Deutsche Eisenbahn-Betriebs-Gesellschaft AG" habe ich auf Seite 87 einen Gleisplan (Stand 1926) gefunden, in dem eine Verladeanlage der Hils-Dolomit- und Kalkwerke eingezeichnet ist. Demnach war die Umladestelle am Außenbogen errichtet und bediente das Außengleis. In den Büchern von Hans Wolfgang Rogl "Vorwohle - Emmerthal" (Seite 57), von Gerd Wolff "Deutsche Klein- und Privatbahnen, Band 11" (Seite 99) sowie von Josef und Stefan Högemann "Eisenbahnchronik Weserbergland" (Seite 245) ist eine Verladeanlage abgebildet, die nach Wickensen verortet wird. Beim Betrachten dieser Mitte der 1960er Jahre angefertigten Aufnahmen fallen Abweichungen zu dem mir bekannten Gleisplan auf: die Verladeanlagen sind am Innenbogen (und nicht am Außenbogen) positioniert, ferner paßt die abgebildete Umgebung nicht zur Situation in Wickensen. Diese Diskrepanzen sind darin begründet, daß auf den Fotos tatsächlich die Verladeeinrichtung für die im Jahr 1949 neu errichtete Verladeeinrichtung kurz vor Eschershausen wiedergegeben wird. Bestätigt wird dies auch durch die Auswertung eines älteren Meßtischblattes; die für die Rigips-Werke neu errichtete Materialseilbahn hatte ihren Ausgangspunkt bei den Steinbrüchen am Großen Homburg (in der Nähe der Stadt Stadtoldendorf) - und nicht im Steinbruch Holzen.
Weitere Informationen zur Betriebsstelle Wickensen (z.B. Gleisplan, Fotos und Zeichnungen des Agenturgebäudes, Unterlagen zu der Verladeeinrichtung und der Materialseilbahn) sind jederzeit willkommen.