Die Straßenbahn in Lippe-Detmold (LEAG)

Die Entwicklung des Streckennetzes in Lippe

Nach mehrjähriger Planung wurde am 15. Mai 1897 die landesherrliche Genehmigung erteilt, in Detmold ein Straßenbahnnetz zu errichten. Den Auftrag zum Bau erhielt die Firma Kummer & Sohn, die sich auf den Bau von Kleinstadtstraßenbahnen spezialisiert hatte. Am 09. Februar 1900 wurde die Lippische Elektrizitäts-Aktiengesellschaft (LEAG) gegründet, die den Betrieb der Straßenbahn in Detmold übernahm. Zum Vorstand der LEAG gehörten Ferdinand Wessel (Detmold) und Alfred Schulte (Neugrund bei Dresden). Die Eröffnung erfolgte am 01. März 1900 mit den beiden Linien:

Denkmal für Wessel Nachbau eines Straßenbahnwagens

Abbildung 2 (oben): Nachbildung eines Triebwagens der LEAG/PESAG, das auf dem Festzug "50 Jahre Lippe in NRW" mitgeführt wurde.

Abbildung 1 (links): Denkmal für Ferdinand Wessel, aufgestellt in Detmold am ehemaligen Straßenbahndepot.

An der Streckenverzweigung in Heiligenkirchen befand sich das Depot "Centrale" mit einem Kraftwerk und einem kleinen Verwaltungsgebäude. Innerhalb der nächsten Monate wurde das Streckennetz um die nicht rechtzeitig zur Eröffnung fertiggestellten Abschnitte Postamt --- Bahnhof mit einem Umladegleis am Bahnhof (0,4 km) und Schmiedeberg --- Gastwirtschaft "Kanne" (0,1 km) ergänzt.

Eine weitere Erweiterung um 1,0 km erfolgte 1903 in Berlebeck zum Hotel Johannaberg. Erwähnenswert ist, daß dieser Streckenteil insbesondere dem Gütertransport aus einem Kalksteinbruch (0,3 km langes Anschlußgleis) zu den Hoffmannschen Stärkefabriken in Bad Salzuflen diente. Schließlich wurde das Streckennetz am 16. Mai 1912 in Hiddesen von der Frischen Quelle zum Hülsenweg um 0,9 km verlängert. Obwohl weitere Pläne bestanden (zum Beispiel eine Weiterführung der Strecke von Berlebeck nach Horn / Paderborn oder der Bau einer Linie von Detmold nach Heidenoldendorf bzw. nach Wahmbeckerheide erfolgte keine weitere Ergänzung des Streckennetzes zu Zeiten der LEAG.

Liniennetz der LEAG Stadtplan Detmold

Abbildungen 3 und 4: Das Streckennetz der LEAG sowie der Verlauf der Gleise in der Innenstadt von Detmold.

Die LEAG beteiligte sich jedoch an zwei anderen Straßenbahnprojekten in Lippe:

Der I. Weltkrieg verhinderte die Elektrifizierung dieser beiden Bahnen; während die Schötmarsche Straßenbahn aufgrund von Unrentabilität bereits 1915 stillgelegt wurde, erfolgte der Betrieb auf der Salzufler Straßenbahn bis 1922 (oder 1924/1926 ?).

Die Gleislänge der LEAG betrug im Jahr 1912 11,1 km, wovon 1,7 km auf eigenem Bahnkörper und 1,8 km im Straßenpflaster verlegt waren. Den größten Teil (6,5 km) machten die in Seitenlage zur Straße verlegten Gleise aus. Hinzu kam noch ein 0,3 km langes Anschlußgleis zum Steinbruch Johannaberg. Die Streckenlänge betrug insgesamt 10 km.

Die Straßenbahn in Detmold diente überwiegend dem Überlandverkehr; die Bedeutung für den innerstädtischen Transport war gering. Bemerkenswert war jedoch der Güterverkehr. Befördert wurden zum einen Kohlen vom Bahnhof Detmold zum Kraftwerk an der Centrale, Kalk vom Steinbruch Johannaberg zum Bahnhof Detmold, sowie ferner Post (nach Heiligenkirchen und Berlebeck), Holz und Stückgut; in Hiddesen wurde sogar eine Konservenfabrik beliefert. Zum Transport des Kalks wurden Fuhrwerke auf Transportbühnen (Rollwagen) geschoben und diese von Straßenbahnwagen bis zum Bahnhof Detmold befördert.

Der Straßenbahnbetrieb im benachbarten Paderborn, der ebenfalls von Kummer & Co erbaut wurde, wurde am 30. August 1900 eröffnet. Nach den Westfälischen Kleinbahnen AG und dem Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerk (RWE) wurde der Betrieb schließlich von der am 09. Januar 1909 gegründeten Paderborner Elektrizitätswerk und Straßenbahn AG (PESAG) übernommen. In der Folge wurde die Fahrspannung 1909/1910 von 550 V auf 800 V umgestellt. Mit der am 08. April 1911 eröffneten Linie Paderborn, Tegelweg --- Marienloh --- Bad Lippspringe --- Schlangen wurde lippischer Boden erreicht. Am 31. März 1912 wurde das Streckennetz in Lippe um das Teilstück Schlangen --- Kohlstädt --- Externsteine --- Horn --- Bahnhof Horn/Bad Meinberg erweitert.

Nach der Liquidation der Firma Kummer & Co. übernahm die PESAG im I. Weltkrieg (Vertrag vom 04. Januar 1918) 240 Stück der ausgegebenen 360 Aktien zu einem Kurswert von 195% und führte den Betrieb der LEAG in Personalunion. Durch den Erwerb der restlichen Aktien von der fürstlich-lippischen Staatsregierung konnte die PESAG am 01. Juli 1922 den Straßenbahnbetrieb der LEAG übernehmen. Da sich die Übernahme einige Jahre zuvor abgezeichnet hatte, erhielt die PESAG bereits 1920 die Genehmigung zum Bau des Streckenstücks Horn, Markt --- Detmold. Die Eröffnung erfolgte am 22. Juli 1920; aufgrund unterschiedlicher Stromsysteme endete diese Linie zunächst am Hornschen Tor in Detmold. Nach Erhöhung der Fahrspannung im Detmolder Netz am 15.10.1923 von 550 V auf 800 V wurden das Paderborner und das Detmolder Netz miteinander verbunden. Die Einspeisung erfolgte seitdem über eine Speiseleitung aus Horn; das Kraftwerk an der Centrale in Heiligenkirchen wurde am 15. Oktober 1923 stillgelegt und abgebrochen.

Nach der Übernahme durch die PESAG wurde das Streckennetz in Lippe weiter ausgebaut. Neben der Verlegung von Straßenbahngleisen im Jahr 1923 in der Paulinenstraße (Detmold) wurden folgende Strecken erbaut:

Im Jahr 1928 hatte damit das Streckennetz der PESAG seine größte Ausdehnung (ca. 80 km) erfahren. In Lippe wurden von der PESAG die folgenden Linien betrieben:

Vor dem zweiten Weltkrieg wurden nur die beiden Streckenabschnitte Bad Meinberg --- Blomberg (13. Februar 1936) und Berlebeck --- Johannaberg (02. Januar 1942) stillgelegt; nach dem Sommer 1941 wurde die Stichstrecke von Horn zu den Externsteinen aufgegeben.

Nach Ende des II. Weltkriegs bestand ein hoher Investitionsbedarf: zum einen sollten die Straßenbahngleise aus den Straßen entfernt werden, zum anderen war der Fahrzeugpark erneuerungsbedürftig. Aufgrund von sinkenden Fahrgastzahlen waren die erforderlichen Investitionen wirtschaftlich nicht zu vertreten, so daß zu Beginn der fünfziger Jahre die Entscheidung getroffen wurde, den Verkehrsbetrieb der PESAG schrittweise auf Omnibusverkehr umzustellen - zunächst im lippischen Teil:

Am 15. August 1954 endete damit der Straßenbahnbetrieb in Detmold.

Liniennetz der LEAG

Abbildung 5: Das Streckennetz der PESEG in Lippe.

Der Fahrzeugpark

Zur Eröffnung wurden sechs zweiachsige Triebwagen (18 Sitz- und 20 Stehplätze) sowie sechs zweiachsige Beiwagen (16 Sitz- und 18 Stehplätze) beschafft. Die Fahrzeuge waren in den Landesfarben "gelb/rot" gestrichen; die Tw wiesen geschlossene und die Bw offene Bühnen auf. Ausgerüstet waren die Tw mit zwei Motoren zu je 25 PS. Im Jahr 1909 wurde von MAN/Lahmeyer noch der Triebwagen 7 (der sogenannte "Kaiserwagen", 18 Sitz- und 20 Stehplätze) beschafft, der sich trotz der beiden installierten Motoren von je 32 PS aufgrund zu geringer Leistung als Fehlgriff erwies. Nach der Übernahme durch die PESAG wurden von den Triebwagen der LEAG nur der Tw 7 - nach Einbau neuer Motoren für 800 V - als Arbeitswagen weiter verwendet. Ausgemustert wurde das Fahrzeug erst 1954. Die Triebwagen 1 bis 6 wurden vermutlich bereits 1922 verschrottet. Zwei der von der LEAG beschafften Beiwagen wurden von der PESAG als Sommerwagen 96 und 97 übernommen; ausgemustert wurden sie 1927. In der Literatur werden teilweise zwei im Jahr 1913 von MAN/Lahmeyer gebaute Beiwagen erwähnt, die 24 Sitz- und 20 Stehplätze aufgewiesen haben sollen. Auch diese Fahrzeuge sollen von der PESAG als Beiwagen 98 und 99 übernommen und erst 1950 (Bw 99) bzw. 1954 (Bw 98) ausgemustert worden sein.

Skizze des Tw 33 Skizze eines Tw 1-6

Abbildungen 6 und 7: Skizze der Triebwagen 1 bis 6 der LEAG (links); Skizze des Triebwagen 33 der PESAG, der vermutlich zuvor als Triebwagen 7 bei der LEAG in Betrieb war.

Technische Daten

Obwohl anfangs ein Betrieb aus Akkumulatoren für die Innenstadt von Detmold diskutiert worden war, wurde der Oberleitungsbetrieb gewählt. Die Fahrspannung von 550 V wurde den Motoren der Triebfahrzeuge über Rollenstromabnehmer zugeführt. Die eiserne Fahrleitung wurde an Holzmasten aufgehängt. Als Spurweite wurde 1 m gewählt; von Nachteil erwies sich später der leichte Oberbau.

Rosette in der Paulinenstraße
Rosette in der Paulinenstraße
Rosette an den Externsteinen

Abbildungen 8 bis 10: Sowohl in Detmold (links in der Paulinenstraße) als auch an den Externsteinen (rechts) können noch Reste der Fahrdrahtaufhängung gefunden werden (2003).

Der zum Betrieb erforderliche Strom wurde in einem Gleichstrom-Dampfkraftwerk bei dem Depot (Centrale) gewonnen; die Brennstoffe wurden mit der Straßenbahn herantransportiert. Das Kraftwerk wurde auch zur teilweisen Versorgung von Detmold und zwölf weiteren kleineren Ortschaften mit Strom herangezogen. Nach der Übernahme des Straßenbahnbetriebes durch die PESAG im Jahr 1922 und Erhöhung der Fahrspannung von 550 V auf 800 V wurde die Stromerzeugung im Depot am 15. Oktober 1923 aufgegeben und der Strom aus Horn bezogen. Die Speiseleitung war bereits 1920 errichtet worden.

Nachbau des Depots "Centrale" in Detmold als Diorama

In früheren Jahren hatte ich als Student mehr Zeit als heute und hatte mich damals auch mit der Straßenbahn im Vorbild und im Modell beschäftigt. Entstanden ist zu der Zeit ein Diorama im Maßstab 1:87, auf dem - mit gewissen Freiheiten - das ehemalige Straßenbahn-Depot "Centrale" der LEAG/PESAG in Detmold nachgebildet ist. Dargestellt sind auf dem Diorama (Abmessungen 0,68 m x 1,60 m) im wesentlichen die viergleisige Wagenhalle und das kleine Verwaltungsgebäude. Entstanden sind diese Gebäude aus Bausätzen der Firma Kibri, die jedoch an die Gegebenheiten des Vorbilds angepaßt wurden.

Depot der PESAG Diorama
Umspannwerk Wesertal Umspannwerk Wesertal
Umspannwerk Wesertal Umspannwerk Wesertal
Diorama Diorama
Diorama ehemaliges Verwaltungsgebäude
Umspannwerk Wesertal Reste der Gleisanlagen
Umspannwerk

Abbildungen 11 bis 27: Das Diorama "Centrale der PESAG" im Vergleich zu einem historischen Foto und Fotos aus der Zeit, als das Gebäude als Umspannwerk des regionalen Energieversorgers Wesertal genutzt wurde.

Da das Diorama beim Nachbau des Bahnhofs "Schöningen-Süd" als FREMOdul im Weg stand, wurde das Diorama dem Hannoverschen Straßenbahnmuseum (HSM) (www.wehmingen.de) in Wehmingen (Ortsteil von Sehnde) als Leihgabe überlassen. Dort kann es an bestimmten Tagen besichtigt werden.

Das Diorama im Straßenbahnmuseum, 2013 Das Diorama im Straßenbahnmuseum, 2013
Das Diorama im Straßenbahnmuseum, 2013 Das Diorama im Straßenbahnmuseum, 2013

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